NZZ Artikel vom 10. März 2020

Die NZZ berichtete am 10. März 2020 ausführlich über die Vergangenheit des Rössli Mettmenstetten, die Genossenschaft und die Rössli-Zukunft. Ein gelungener Artikel, der die überregionale Bedeutung des Rösslis aufzeigt. Der vollständige Artikel ist auf der NZZ-Website abrufbar. Wir bedanken uns bei Urs Bühler (Text) und Simon Tanner (Bilder) für die gute Zusammenarbeit und den spannenden Artikel. Herzlichen Dank an die NZZ, über die Berichterstattung.


«Das ‹Rössli› soll den Leuten gehören», sagt seine Wirtin. Doch es fehlt an Geld. Nun kämpft ein ganzes Dorf für das Gasthaus

Das altehrwürdige Restaurant mit Kultursaal in Mettmenstetten steht vor einer ungewissen Zukunft. Eine frisch gegründete Genossenschaft soll sein Fortbestehen sichern.

Seit 22 Jahren führt Vreni Spinner den Gasthof Rössli in Mettmenstetten.

Es ist ja nicht so, dass dieses «Rössli» lahmen würde: Die historische Liegenschaft im Zentrum von Mettmenstetten, eines der markantesten Wirtshäuser im ganzen Knonauer Amt, ist ein beliebter Treffpunkt für Hungrige, Durstige – und für Kulturfreunde aus der Region. Will es in die Zukunft galoppieren, ist jedoch eine Verjüngungskur nötig. Die baulichen Massnahmen wären für die langjährige Wirtin und Besitzerin nicht finanzierbar. Deshalb ist der Gasthof zum Weissen Rössli, wie das Haus mit vollem Namen heisst, in Gefahr.

2 Millionen Franken nötig

Nun hat sich jedoch im Dorf eine Interessengruppe aufgemacht, diese Gefahr zu bannen. Nach zweijähriger Vorbereitung ist vor wenigen Wochen eine Genossenschaft gegründet worden, die schon gegen neunzig Mitglieder zählt. Alle haben mindestens einen Anteilschein à 5000 Franken gezeichnet; auf diesem Weg und mit Spenden sind 1,2 Millionen Franken geäufnet, 60 Prozent des angestrebten Eigenkapitals. Mit einer Hypothek wären dann laut dem Projekt «Euses Rössli» 2 Millionen Franken für den Kauf der Liegenschaft und 3,6 Millionen Franken für Umbau- und Sanierungsarbeiten zu finanzieren.

Es gibt im Land viele Beizen, die das Rössli im Namen führen. Aber in diesem Fall führt die gesellschaftliche Bedeutung gar über den Charakter des Dorftreffs hinaus. Da ist die urgemütliche Beiz, geheizt nur mit dem Kachelofen, vor dem bei unserem Besuch Stiche am Jasstisch ausgezählt werden. Im etwas gediegeneren A-la-carte-Stübli nebenan haben schon zahllose Hochzeits-, Tauf- und Leidmahle stattgefunden. Das Untergeschoss, wo früher die Hausmetzgerei war, dient seit einem Vierteljahrhundert als «Laternenbar». Und die vor 14 Jahren erneuerte Küche erlaubt die Verköstigung von gleichzeitig 200 Gästen im Haus.

Dessen Stolz aber ist der aparte «Rösslisaal» samt Empore: Über die Dorfgrenze hinaus reicht seit bald hundert Jahren seine Bedeutung als Bühnenstätte. Hier fand einst die legendäre Rössli-Fasnacht statt, noch immer ist es der Hauptspielort der von der «Rössliwirtin» präsidierten Aemtler Bühne, und immer wieder gibt es Gastspiele. Im Programm des laufenden Monats finden sich bekannte Namen wie Bänz Friedli, in der Reihe «Klanghotel» sind in den letzten sieben Jahren schon nationale Grössen wie Adrian Stern und Gigi Moto aufgetreten, Sina sang mit dem Männerchor Mettmenstetten. «Das kann nirgendwo anders stattfinden als im ‹Rössli›», sagt Beat Hebeisen, der Initiator des «Klanghotels» und künftiger Genossenschafter.

Der Stolz der Beiz ist der aparte «Rösslisaal» samt Empore, er ist der Hauptspielort der Aemtler Bühne.

Ein reges Vereinsleben

In Gesprächen mit Beteiligten zeigt sich: Es gibt ein paar Divergenzen bei den Ansichten darüber, wer genau diesen Ort in den letzten Jahren kulturell (re)animiert habe. Einig ist man sich aber darin, dass er weiterhin mit entsprechendem Leben gefüllt werden soll. Schliesslich hat das Dorf auch einen 1975 gegründeten Kulturverein, der sich die griffige Domain «bieus.ch» gesichert hat und rund 300 Mitglieder zählt. Auch sonst ist Mettmenstetten mit einem regen Vereinsleben gesegnet: Gegen fünfzig Einträge bietet die Liste, von der Hornussergesellschaft über die Trachtengruppe bis zur Jugendmusik. Ihnen sollen die Räume künftig ebenfalls offenstehen, zu vernünftigen Preisen.

Der rund 150 Personen fassende «Rösslisaal» war dem Vernehmen nach sehr gut besetzt, als sich im Oktober die Initianten mit der Bevölkerung austauschten. Anfang März nun sind mehrere Dutzend Interessierte einer weiteren Einladung gefolgt, vor denen die «Rössliwirtin» Vreni Spinner resümierte: «Was ich in den letzten Monaten hier erleben durfte, macht mir Hühnerhaut.» Seit 22 Jahren führt sie den Betrieb. 2010 konnte sie ihn mithilfe zweier Investoren gar erstehen. Sie hat das neue Trägermodell initiiert und wird sich als Genossenschafterin engagieren. «Ich finde, das ‹Rössli› soll den Leuten gehören», sagt Spinner, 1961 in Aeugst am Albis geboren, im Gespräch. «Jeder, der im Dorf aufgewachsen ist, hat Beziehungen und Erinnerungen zu diesem Haus.»

Doch Spinner, die keine Nachkommen hat, merkt auch an: «Wenn es nicht klappt mit der neuen Trägerschaft, muss ich leider auf den freien Markt gehen.» Der Gastbetrieb laufe gut, hält sie fest, wenngleich auch auf dem Land die Zeiten vorbei seien, da die Geschäftsleute den ganzen Nachmittag gezecht hätten. Sie selbst wolle sich aber aus dem Betrieb zurückziehen, wenn alles geregelt sei. Eine Nachfolge ist also ohnehin zu suchen.

Seit den 1960er Jahren werden in den Obergeschossen Fremdenzimmer mit 16 Betten geführt, die meisten sind heute an Dauermieter vergeben.

Zwei Restaurants im Dorf

Nebst diesem Gasthaus gibt es im 5000-Seelen-Dorf zurzeit nur noch ein Café und das als «Steakhouse» geführte «Bahnhöfli»; das dritte Restaurant im Dorf, der «Spycher», ist seit kurzem geschlossen.

In Quellen erwähnt wird das «Rössli» schon Mitte des 15. Jahrhunderts, mit einem Joggeli Huber als Wirt. 350 Jahre später stiegen die französischen Besatzungstruppen hier ab, was wohl den Schriftzug «Hôtel du cheval blanc» erklärt. Seit den 1960er Jahren werden in den Obergeschossen Fremdenzimmer mit 16 Betten geführt, die meisten sind heute an Dauermieter vergeben. Sie sollen mit der Renovation durch zeitgemässe 11 Einzimmer-Appartements abgelöst werden, deren Vermietung zur Finanzierung des Betriebs beitragen soll.

50 000 Franken des bis jetzt gesammelten Genossenschaftskapitals stammen aus der Gemeindekasse, doch es haben sich viele Private engagiert. Man hofft zwar darauf, dass ein Grosssponsor einen guten Teil der noch fehlenden 800 000 Franken sprechen wird. Eine Claire Zachanassian aus der Vergangenheit wie in Dürrenmatts «Besuch der alten Dame» ist indes nicht in Sicht. Das ist wohl auch besser so. Dafür hofft man auf einen Beitrag aus dem kantonalen Lotteriefonds.

Einig ist man sich darin, dass das «Rössli» weiterhin mit entsprechendem Leben gefüllt werden soll. Einig ist man sich darin, dass das «Rössli» weiterhin mit entsprechendem Leben gefüllt werden soll.

«Pöstli» Rifferswil läuft gut

Die Geschichte erinnert fern an die Rettung des Restaurants Post im benachbarten, kleineren Rifferswil: Der Beiz drohte 2013 das Aus, als das langjährige Wirte- und Besitzerpaar in den Ruhestand trat und das Haus in Inseraten schon für Eigentumswohnungen angeboten wurde. Eine lokale Gruppierung sammelte innert kurzer Zeit 1 Million Franken als Genossenschaftskapital, um das Haus zu kaufen und den Gastbetrieb zu erhalten. Die Gründungspräsidentin Marianne Roth hat die Leitung der Genossenschaft unlängst in jüngerer Hände übergeben. Das Restaurant, seit der Wiedereröffnung unter demselben Wirt, laufe sehr gut, ebenso der Hotelbetrieb mit sechs Zimmern, hält sie auf Anfrage fest.

Das Projekt in Mettmenstetten hält Roth für gut eingebettet, doch werde die Mantelnutzung, also die Vermietung der Appartements, die grosse Herausforderung: Sie müsse nach der Renovation so gut funktionieren, dass man beim Gasthof eine schwarze Null anpeilen könne statt Renditemaximierung. Denn die Erhaltung eines so alten Hauses erfordere über die Umbauphase hinaus hohe Rückstellungen.

Vieles neu soll in Mettmenstetten nun der Mai machen: Auf dessen Anfang hin erhofft man sich die Bewilligung für das nach intensiven Verhandlungen mit der Denkmalpflege ausgearbeitete Bauprojekt, Ende Monat soll das Genossenschaftskapital stehen. Im Frühling 2021 dann könnte mit den rund halbjährigen Umbau- und Sanierungsarbeiten begonnen werden. Spätestens dann müssten auch neue Wirtsleute gefunden sein.

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